Tag 5 der Blogtour „Engelsgleich“ von Martin Krist

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Heute macht die Blogtour bei mir Halt. Im Thriller „Engelsgleich“ von Martin Krist geht es ja unter anderem um die verschwundene Merle, ein Pflegekind von Juliane Kluge, die sich verzweifelt und ziemlich allein gelassen von Verwandtschaft und Polizei, auf die Suche nach ihrer Pflegetochter Merle begibt. Gut, hier ist es ein Roman und somit eine fiktive Geschichte. Aber wie sieht es in der Realität in Deutschland aus?

In Deutschland werden aktuell  circa 3000 Kinder und Jugendliche vermisst. Hier nicht eingerechnet sind die sogenannten „Ausreißer“, also Minderjährige, die freiwillig, meist aufgrund familiärer Differenzen, ihren gewohnten Lebenskreis verlassen. Diese tauchen in der Regel  sehr schnell wieder auf.
Im Jahr 2014 wurden 7161 Kinder ( bis 14 Jahre ) als vermisst registriert. Davon wurden bis April 2015 6958 Fälle aufgeklärt ( Quelle: BKA.de ). Man sieht also, dass es sich bei den meisten vermissten Kindern tatsächlich nur um „Ausreißer“ handelt – zum Glück. Bei dem verbliebenen Teil der Kinder ist dann leider zu befürchten, dass sie Opfer einer Straftat oder eines Unglücksfalles wurden und nicht mehr am Leben sind.

Was unternimmt nun die Polizei, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher als vermisst gemeldet wird?
Grundsätzlich geht die Polizei  dann erst einmal von Gefahr für Leib und Leben aus.
Sobald eine Vermisstenanzeige für ein Kind vorliegt, agiert die Polizei sofort mit einer teils groß angelegten Suchmaßnahme. Die Bereitschaftspolizei sowie  Bundesgrenzschutz und lokale Rettungsdienste kommen zum Einsatz. Dazu eventuell Hubschrauber  mit Wärmebildkameras und Hundesuchstaffeln. Dabei sind die ersten  24 Stunden nach der Vermisstenmeldung entscheidend. Denn wird das Kind nach dieser Zeit nicht gefunden, sinkt die Chance rapide, das Kind dann noch unversehrt und gesund zu finden und man muss zwangsläufig von einem Verbrechen ausgehen.

Im Buch „Engelsgleich“ ist ja nicht nur Merle verschwunden, sondern mindestens 11 weitere Kinder, die dann ermordet auf einem Fabrikgelände gefunden wurden. Martin Krist hat für seinen Roman ausführlich zum Thema „Pädophile in Großstädten“ recherchiert und mir seine Ergebnisse zur Verfügung gestellt, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

Martin Krist über seineEngelsgleich

Recherchen zu »Engelsgleich«

»Engelsgleich« ist ein Roman. Ein Roman ist Fiktion. Die Personen, Ereignisse und Dialoge entstammen der Fantasie des Autors. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, lebenden oder toten Personen sind zufällig. »Wahr ist jedoch, dass es in deutschen Großstädten Pädo-Kreise gibt«, sagt Martin Krist. »Meinem Thriller, der von diesen Pädo-Kreisen handelt, sind mehrere Wochen intensiver Recherche vorausgegangen.«

Pädophile Männer haben die Wahl: Der Sextourismus führt sie oftmals in die Dritte Welt, wo sie straffrei für ihre Taten bleiben, doch seit dem Fall des Eisernen Vorhangs brauchen Männer mit dem Wunsch nach »Frischfleisch«, wie sie die kleinen Kinder nennen, nicht unbedingt mehr in die Ferne zu schweifen. Vor allem in den osteuropäischen Grenzstaaten zu Deutschland, in Polen und Tschechien, entwickelt sich eine von Zuhältern und Gewalt geprägte Szene, in der die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern eine immer größere Rolle spielt. Kinderprostitution geht dort meist auch mit Menschen- und Kinderhandel sowie Kinderpornographie einher.

Pädosexuelle Männer können sich aber auch in Deutschland jederzeit bedienen. In nahezu jeder Großstadt gibt es für sogenannte »Girl-Lover« einen Babystrich: Mädchen, die beispielsweise wegen Drogenproblemen der Prostitution nachgehen. Manchmal werden auf diesem Babystrich auch die »Boy-Lover« oder Päderasten, also Männer, die minderjährige Jungen bevorzugen, von den Kinderhändlern oder Zuhältern bedient, doch insgesamt weist die Prostitution mit minderjährigen Jungen Unterschiede zu der mit Mädchen auf.

»Boy-Lover« tummeln sich in einer speziellen Szene, die perfider und eingespielter nicht funktionieren könnte und Schuld daran trägt, dass junge Ausreißer, sogenannte Trebegänger, über kurz oder lang in die Prostitution abrutschen und sich anschließend bis zum Erreichen der Volljährigkeit oder wenige Jahre darüber hinaus als Stricher verdingen.

Die Szene funktioniert nach folgendem Prinzip: Die Männer treiben sich in Einrichtungen der Jugendhilfe genauso wie in Einkaufszentren, Schwimmbädern, auf Abenteuerspielplätzen sowie, noch viel häufiger, an Bahnhöfen, U- und S-Bahnstationen herum. Diese Szene bewegt sich in sehr verdeckten Zonen. Sozialarbeiter, die sich um junge Ausreißer kümmern, beobachten solche Leute in Kaufhäusern, wo sie in den Spielzeugabteilungen die Jungen ansprechen. Dort kommen gerade sehr junge Obdachlose, Ausreißer und Trebegänger schnell mit diesen Männern in Kontakt.

In den Beratungsstellen für Stricher werden solche Männer auch »Frischfleischjäger« genannt. Es sind Männer, die zu unüblichen Zeiten unterwegs sind – vormittags, während der Schulzeit oder abends, wenn Jungen in dem gesuchten Alter üblicherweise in der Schule oder zu Hause sind. Manchmal warten diese Männer bis zu zehn oder zwölf Stunden. Sie kennen die Körpersprache ganz genau, anhand derer deutlich wird, dass es sich bei den Jungen um Wegläufer handelt und es ihnen schlecht geht. Haben die Männer einen solchen Jungen gefunden, gehen sie zielgerichtet auf ihn zu und sprechen ihn an: »Geht’s dir schlecht? Komm, ich weiß, wo du pennen kannst!«

»Wenn ein Junge merkt, dass du dich um ihn kümmerst, wirst du ihn nicht mehr los«, so die Sozialarbeiter. Das wissen auch die Frischfleischjäger. Jungen, die auf sie hereinfallen, sind emotional ausgetrocknet, haben zu Hause keine Vaterfigur, wachsen ohne Väter auf oder mit solchen, von denen sie geschlagen werden. Sie suchen nach Zuwendung und emotionaler Geborgenheit, sie wollen ernst genommen werden, mit jemandem reden. Meist entsteht zwischen dem Mann und dem Kind tatsächlich so etwas wie eine Beziehung. Sozialarbeiter beschreiben es so: »Viele [der Kinder, Anmerk. d. Aut.] bekommen ein eigenes Zimmer mit Computer zur Verfügung gestellt und den Haustürschlüssel in die Hand gedrückt.«

Die Beziehung der Jungen zu diesen Männern ist in der Regel durch sexuelle Dienstleistungen gekennzeichnet, die mit materiellen und emotionalen Zuwendungen entlohnt werden. Damit erhalten diese Beziehungen bereits einen deutlich prostitutiven Charakter.

Die Jungen sehen das meistens jedoch gar nicht so. Schließlich wissen die Männer, in deren Obhut sie sich befinden, ihre wahren Motive geschickt zu verschleiern. Manche ziehen die antike Mythologie zur Rechtfertigung der Beziehung heran, die Weisungsgabe auf den Jugendlichen, sehen sich als Mentoren, die sich darum kümmern, die Jungen aus einer schlechten Situation herauszuholen und sie zu fördern. Standardsatz: »Ich mache das doch nur aus Liebe für dich!«

Dafür spricht, dass die Jungen sich tatsächlich nicht als Stricher an einschlägigen Treffpunkten, den sogenannte Klappen, verdingen müssen. Die Männer, die sich deswegen auch nicht Freier nennen, wollen ganz klar von denen distanziert werden, die sich in der Stricherszene Jungen besorgen. »Das, was die machen, ist schmutziger Sex gegen Geld«, so ein Mann im Internetchat. »Das was wir machen, ist idealisierte Liebe.«

Andere wiederum geben sich als Sozialfreier aus, doch auch das sei am Ende »immer nur ein Tauschgeschäft«, stellen die Sozialarbeiter klar. »Ich möchte solchen Freiern noch nicht einmal das bewusste Motiv unterstellen; manchmal sind ihre Forderungen auch nur unbewusst: ›Wenn ich dir helfe, habe ich auch eine Gegenleistung verdient. Und folgendermaßen stelle ich mir das vor: …‹ Das ist der Moment, an dem es kritisch wird. Die Vorstellungen desjenigen, dem geholfen werden soll und der es vielleicht gar nicht selbst will, sind in der Regel ganz andere als die des Freiers.«

Vergessen werden darf auch nicht, dass die Jungen mit ihren elf, zwölf oder dreizehn Jahren minderjährig sind und ihre Notsituation – Obdachlosigkeit, Geldmangel, Hilflosigkeit – schamlos ausgenutzt wird. »Da gibt es seltsame Verstrickungen, wenn zum Beispiel der Mann mit dem Jungen plötzlich in dessen Familie auftaucht und er dann Jugendamtsangelegenheiten regeln kann«, berichten Sozialarbeiter. »Manchmal geht das Verhältnis zu einem Jungen so weit, dass dieser den Tag über bei dem Pädophilen verbringt und nachts bei seiner Familie übernachtet. »Da geschehen so viel Verstrickungen, dass der Junge am Ende gar nicht mehr weiß, wo er sich befindet, was er eigentlich sucht und was er geben muss, um das zu bekommen, was er eigentlich haben will.«

Früher gab es sogar Kneipen, in denen sich pädosexuelle Männer ganz offen mit ihrem Frischfleisch trafen und die Jungen sogar untereinander austauschten. Mit der zunehmend restriktiven Verfolgung durch die Justiz und der Verbreitung des dank seiner Anonymität für solche Zwecke hervorragend geeigneten Internets hat sich die Szene zwar nicht aufgelöst, jedoch weg von bekannten Treffpunkten verlagert. Jetzt kommunizieren die Männer mittels Handy oder Internet und reichen die Jungen in informellen Zirkeln weiter. »Heftig, was sich da herumtreibt«, erklärt ein Streetworker, der Zugang zur Szene hat und deshalb lieber ungenannt bleiben möchte. »Faschos, Kinderpornoproduzenten, Polizisten – da könnte ich reinschlagen!«

Es gelingt nur selten, die Kids aus diesen Kreisen zu befreien, und zwar nicht, weil der Druck der Männer so stark ist. Die Sozialarbeiter bedauern: »Öffentliche Jugendhilfe kann dem Jungen nichts von dem bieten, was der pädosexuelle Freier ihm bietet: die tollste Jeans, eine PlayStation, 50 Euro am Tag. Dieser Junge ist nicht mit Worten, nicht mit Taten herauszuholen. Selbst mit Gewalt kriegen wir den Jungen nicht heraus; er wird immer wieder zu dem Mann zurückkehren. Trotzdem: Der seelische und der körperliche Schaden, den ein Junge erleidet, der in solchen Pädo-Kreisen gefangen ist, ist nicht wiedergutzumachen. Deshalb wissen wir: Wenn, dann muss vorher etwas passieren, damit die Jungen erst gar nicht in die Kreise hineingeraten.«

Einmal in der Szene gefangen, ist das weitere Schicksal der Jungen meist vorbestimmt: Mit vierzehn, fünfzehn oder sechzehn Jahren, mit der Pubertät, in der sie für die Frischfleisch-Connoisseure uninteressant werden, nehmen jüngere Kids ihren Platz ein. Die Männer – idealisierte Liebe hin, Sozialfreier her – werden sie fallen lassen, quasi in die offene Szene an den Bahnhöfen spucken, wo sie sich anschließend als Stricher verdingen.


An dieser Stelle möchte ich mich bei Martin Krist und dem Ullstein Verlag sehr herzlich bedanken, dass ich an dieser Blogtour teilnehmen durfte und für das zur Verfügung gestellte Freiexemplar. Wie mir das Buch gefallen hat, könnt ihr HIER lesen.

Natürlich gibt es auch etwas zu gewinnen.

Beantwortet einfach folgende Frage:
Nach welchem Zeitraum sinkt die Chance, ein vermisstes Kind zu finden rapide ab?

Antwort 1: nach 12 Stunden  – Lösungswort ist IMMER
Antwort 2: nach 24 Stunden – Lösungswort ist NIE
Antwort 3: nach 48 Stunden – Lösungswort ist OFT

Der Lösungssatz ergibt sich aus allen richtigen Lösungswörtern, die ihr in chronolog. Reihenfolge auf den teilnehmenden Blogs findet ( siehe Blogtourdaten ).

Unter allen TeilnehmerInnen , die den richtigen Lösungssatz an Susanne von Literaturschock per Mail oder als Kommentar auf ihrem Blogbeitrag zur Tour schicken, wird folgendes verlost ( Mehrfachgewinne sind ausgeschlossen):

gewinnspiel

ein Paket aus drei signierten Romanen (Mädchenwiese, Drecksspiel, Engelsgleich) und  die drei Kalkbrenner-Romane Wut, Gier, Trieb als ePub), dreimal Engelsgleich signiert, je einmal Drecksspiel und Mädchenwiese signiert

Teilnahmebedingungen:

♦ Teilnahme ab 18 Jahren oder mit Einverständnis der Eltern
♦ keine Haftung für Verlust der Gewinne auf dem Postweg
♦ Versand nur innerhalb Deutschland, Österreich und der Schweiz
♦ keine Barauszahlung der Gewinne

Ich wünsche allen viel Glück!

Blogtourdaten:

10.08. Vorstellung des Romans und spoilerfreie Rezension auf  Karins Kindle
11.08. ein Interview mit Kommissar Kalkbrenner gibt es bei Selection books
12.08. Vor Ort in Berlin trifft sich Kielfelder mit Martin Krist
13.08. bei Books&Pride erfahrt ihr etwas über LGBTIA
14.08. die Blogtour ist bei mir zu Gast und ich berichte über Ausreißer und vermisste Kinder in Deutschland
15.08. auf Literaturschock gibt es einen Videogruß von Martin Krist sowie seine Buchtipps
17.08. Auslosung und Bekanntgabe der Gewinner auf der Webseite des Autors

6 Gedanken zu “Tag 5 der Blogtour „Engelsgleich“ von Martin Krist

  1. Ich möchte mich den Worten des Streetworkers anschließen – da möchte man reinschlagen.
    Was Menschen anderen Menschen antun, übersteigt manchmal mein Vorstellungsvermögen.

    Herzlichen Dank für diesen Beitrag,

    Liebe Grüße
    Babsi

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  2. Vielen Dank für die Fakten und Hintergründe. Das hat mich schon bei ‚Trieb‘ total mitgenommen. Es ist erschütternd, dass unsere gesellschaft nicht in der Lage ist, die Kinder zu schützen.

    LG
    Claudia

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  3. Oh man ich habe eine totale Gänsehaut. Das so etwas in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist kann ich echt nicht nachvollziehen. Diese Männer müsste man echt alle an einen Zaun binden und Gerechtigkeit verüben.
    Danke für diesen wenn auch schrecklichen aber auch informativen Blogtag.
    Lg und ein wunderschönes Wochenende
    Ricarda;-)

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  4. Hallo ,
    Vielen Dank für sehr interessanter aber auch traurige Beitrag .
    Ich wünsche Dir einen schönen Abend 🙂

    Liebe Grüße Margareta

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